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Zwischen Stadtbildpflege und Urban Mining

Im Januar 2023 wurden die Ergebnisse des Gestaltungswettbewerbs für die Revitalisierung des „Hotels am Schlossgarten“ in Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt. Über den zweiten Preis dürfen sich Hild und K gemeinsam mit Studio Vulkan Landschaftsarchitektur freuen. Die Jury lobte den „Beitrag, der Einfühlungsvermögen und Stilsicherheit beim Umgang mit dem Bestand beweist und diesem einen weiteren Lebenszyklus unter Verzicht auf modische Aperçus ermöglicht.“ Der Entwurf verfolgt die Intention, die in den 1960er Jahren verwurzelte Architektursprache des Bestandsgebäudes fortzuschreiben. Mit dem Ziel eines stimmigen Gesamtbildes wurden bestehende städtebauliche und architektonische Qualitäten identifiziert, geklärt und präzisiert. Die Strategien bewegten sich dabei zwischen Stadtbildpflege und Urban Mining.

Das Hotel liegt zwischen zwei im Stadtgefüge relevanten Achsen. Die Königstraße im Westen verbindet als Hauptgeschäftsstraße den Hauptbahnhof am Arnulf-Klett-Platz und den zentralen Verkehrsknotenpunkt am Rotebühlplatz. Im Osten erstreckt sich eine große Grünanlage vom Schloss bis in den Rosensteinpark. Mit ihrer hohen Aufenthaltsqualität besitzt sie eine wichtige, städtisch übergeordnete Naherholungsfunktion. Derzeit gelingt es dem Bestand und seinem Umgriff weder an die Qualitäten des Schlossgartens anzuknüpfen noch eine angemessene Adresse hin zum Straßenraum zu bilden. Mit dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes wird die unmittelbare Umgebung des Hotels umstrukturiert und aufgewertet. In diesem Fahrwasser besteht die Chance, das Gebäude neu im Stadtraum zu verorten. Der städtebauliche Ansatz des Entwurfs liegt dabei in einer Stärkung der vorhandenen Qualität als Solitär am Park. Es gilt die städtebaulichen Typologien im Umfeld in der Freiraumgestaltung zu klären sowie die spezifischen Qualitäten des Gebäudes herauszuarbeiten. Der Baukörper wird deshalb durch Abbruch späterer Ergänzungen in der Theaterpassage freigestellt und in seiner rechteckigen Grundform gestärkt.

Die städtebaulich motivierte Freilegung des Gebäudes belässt, wo möglich, vorhandene Elemente und verwendet Rückgebautes weiter. Daneben wird das Volumen des Bestands auf seine Grundgeometrie zurückgeführt. Das Gebäude gliedert sich in einen horizontal orientierten, geradlinigen Sockel und einen vertikal orientierten, in seiner Form expressiveren Turm. Der Sockelteil ist, einer aus der klassischen Moderne entliehenen formalen Leitidee folgend, in ein offenes, aufgeständertes Erdgeschoss und ein kompakteres Obergeschoss geteilt. Zugleich lässt er sich in seiner Nähe zum Park als Anleihe an eine modernistische Pavillonarchitektur lesen. Auf dem Flachbau ist der Turm positioniert und damit von der Umgebung freigestellt. Über dem Attikageschoss, das durch eine neue Pfosten-Riegel-Fassade an Leichtigkeit gewinnt, ist sein oberer Abschluss etwas über die Kubatur auskragend ausgebildet. Als ikonisches Bauwerk hoch über dem Park thronend, wirkt das Hotel weit in den umliegenden Stadtraum hinein. 

Ein weiteres die Architektursprache prägendes Element ist das Motiv der Faltung. Im Bestand immer wieder auffindbar, wird es aufgegriffen und weiter verstärkt. Die Stirnseiten des Turmbaus erfahren eine entsprechende volumetrische Überformung, indem ihre Fassade nach Abbruch der bestehenden Balkone zu einem mittig liegenden Knick zusammengeführt wird. Sowohl im Regelgeschoss als auch im ersten Obergeschoss findet sich die Faltung in einzelnen Fassadenelementen wieder und schafft so ein neues, übergeordnetes und verbindendes Motiv. 

Das Ensemble, welches den Schlossgarten fasst, verbindet sich auch über die gemeinsame Materialität der Fassaden. Marmor ist hierfür ein wichtiges Element und soll daher im Erscheinungsbild des Hotels weiterhin eine strukturierende Rolle spielen. Im Turm und ersten Obergeschoss wird die geschlossene Natursteinfassade weitestgehend beibehalten und definiert so weiterhin die Einheit beider Bauteile, bei zugleich entgegengesetzter, horizontaler und vertikaler, Ausrichtung. Eine Reduzierung der bestehenden Marmorflächen, insbesondere im Erdgeschoss und Dachgeschoss, ermöglicht eine Wiederverwendung des Materials nach der energetisch notwendigen Erneuerung der Unterkonstruktion. Der Erhalt der Marmorfassade ist nicht nur unter baukulturellen und ensemblebildenden Gesichtspunkten erstrebenswert, sondern auch im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit vorhandenen Ressourcen und einer Reduzierung der für den Umbau aufzubringenden Grauen Energie.

Dies gilt gleichermaßen für das vorgehängte Sonnenschutzraster aus Aluminium. Es wird als einer der charakteristischsten Bauteile in unveränderter Form ab- und wieder neumontiert. Dabei erfüllt es nach wie vor seinen Zweck, einen Großteil der solaren Einstrahlung effektiv abzuschirmen, ungeachtet der durch Wegnahme einer massiven Brüstung bodentief erweiterten Fensteröffnungen. Mit ergänzender Sonnenschutzverglasung wird ein ausreichender Schutz gegenüber dem thermischen Wärmeeintrag erreicht. Das markante Motiv des hervorstehenden Aluminiumrahmens wird zudem in den neuen Fensterlaibungen der Stirnseiten und des ersten Obergeschosses weitergeführt und trägt damit weiter dazu bei, die verschiedenen Fassadenteile in einer einheitlichen Sprache zusammenzuführen.