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Polizeifachhochschule Fürstenfeldbruck

Ausgangspunkt
Eines der größten Langzeitsanierungsprojekte in Oberbayern stellt das ehemalige Kloster Fürstenfeld dar, dessen alte Bausubstanz in den 50er Jahren durch Erweiterungsbauten ergänzt wurde. Heute beherbergt das Kloster eine Beamtenfachhochschule. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Klosterkirche gruppiert sich ein reich ausgestattetes mehrflügeliges Klostergeviert um zwei Innenhöfe. Die noch erhaltene stark vernachlässigte, teils unbefundete Substanz weist üppige Stuckaturen jeder barocken Stilart auf sowie Freskierungen vom Vater und den Brüdern Asam. Bei der Sanierung und Modernisierung, die bei laufendem Unterrichtsbetrieb stattfand, sahen sich die Architekten vor allem mit dem Anspruch konfrontiert, neueste technische Standards bestandsverträglich zu realisieren. Die sensible Gratwanderung zwischen den Zeitzeugen einer Gebäude-Biographie und den regenerativen Kräften stellt die reizvolle Besonderheit des Projekts dar.

Unterkunftsräume
Die Studierenden wohnen während des Unterrichtsbetriebes in circa 200 Gruppenzimmern, die, über den gesamten Hochschulbereich verteilt, mit zwei bis sechs Betten ausgestattet sind. Die Zimmer sind dringend sanierungsbedürftig, zudem soll die Bettenzahl pro Unterkunftsraum reduziert sowie vorhandene Möblierung ausgetauscht werden. Da die bestehenden Unterkunftsräume sich je nach Lage bezüglich Größe und Ausbildung unterscheiden, wurden sie zunächst in Alt- und Neubau zu Typen zusammengefasst, um für den Ausbau bindende Grundlagen zu erhalten. Die Unterkunftsbereiche werden entkernt und zum Teil neu unterteilt. Nach der Sanierung der Raumschale erfolgt die Ausstattung mit der für jeden Unterkunftstyp spezifisch entwickelten Einbaumöblierung. Durch Neustrukturierung der Zimmer mit Möbelgruppen entstehen Arbeits- und Schlafzonen sowie individuelle Rückzugsbereiche.

Provisorische Lehrsäle
Um den Unterricht auch während der Bauzeit zu gewährleisten, benötigte man ab Herbst 2010 ein provisorisches Seminargebäude. Den Gestaltungsspielraum für den temporären Anbau beschränkte ein enges Kostenbudget. So errichtete der Generalunternehmer einen einfachen Holzrahmenbau mit drei 8 x 12 m großen Raummodulen für jeweils 36 Studierende. Die von Seiten des Bauherrn gewünschte Holzverkleidung dieser „Box“ setzten Hild und K Architekten mit einfachen Mitteln in Bezug zur umgebenden Bebauung. Den Container umhüllt eine Schaufassade aus Lärchenlamellen, die in ihrer Anordnung Fassadenelemente des Klosters wiederaufnehmen. Um die Fensteröffnungen herum verdichten sich die Lamellen und abstrahieren so das Bild der barocken Fensterfaschen.

Churfürstensaal
Bereits vor 1894 war der über zwei Geschosse des Westflügels reichende Saal durch Einzug einer hölzernen Zwischendecke und den Einbau von Flurwänden und Zimmern in beiden Ebenen zerstört worden. Die 2010 abgeschlossene Sanierung des Saales umfasste den Abbruch der Zwischenwände und der 45 Zentimeter starken Stahlbetondecke. Die oberhalb der ehemaligen Zwischendecke vorhandenen Stuckdekorationen (Giovanni Nicolò Perti) und Fresken (Georg Asam) wurden gesichert und saniert, wobei die Fehlstellen der zum Teil durch unsachgemäße Behandlung zerstörten Gemälde sichtbar bleiben. Um der heutigen Nutzung des Saales als Veranstaltungsforum entgegenzukommen, war eine Vielzahl technischer und baulicher Funktionen in den historischen Kontext zu integrieren. In diesem Zusammenhang wurde ein Lüster entworfen, der alle technischen Anforderungen erfüllt, sich aber zugleich in den barocken Rahmen einfügt, ohne sich anzubiedern.

Bibliothek
Die Räume, die nach der Sanierung des Ostflügels die Bibliothek der Polizeifachhochschule beherbergen, stellen das bauliche Pendant zum Churfürstensaal dar. Hier wie dort befand sich zur Erbauungszeit ein zweigeschossiger Raum mit reichen Stuckaturen. Im Falle des Ostflügels bleibt jedoch die später eingezogene Zwischendecke erhalten. Während sich nach der Sanierung im zweiten Obergeschoss Lehrsäle befinden, beherbergt das Dachgeschoss die neue Bibliothek. Hier wurde eine tragende Mittelwand in Stützen aufgelöst, um einen zusammenhängenden Raum zu gewinnen. Strukturiert wird dieser weiterhin durch die raumhohen Bücherregale, die zu einem großen Teil hinter den Stützen aufgereiht sind. Die im Zuge des Projekts entworfenen Möbel greifen in ihrem modularen Aufbau und im Material Themen der Unterkunftszimmer auf. Hier wie dort wurden weiß beschichtete Holzwerkstoffplatten mit Multiplex-Stirnseiten und Messingapplikationen verwendet. Eine Reminiszenz an die Baugeschichte findet sich im beweglichen Blendschutz auf der Innenseite der Bibliotheksfenster. An die durch eine historische Fotografie belegten barocken Atlanten, die einst die Rundbögen des Obergeschosses auf ihren starken Armen „trugen“, erinnert ein zarter Aufdruck auf dem Textil.

Neubau Judohalle
Teil der Polizeiausbildung ist eine umfassende Schulung zur Selbstverteidigung. Hierzu plant die Fachhochschule die Errichtung einer Judohalle. Um den Außenbereich des Gebäude-Ensembles nicht zu beeinflussen und die Feuerwehrzufahrt zum Bestand in vollem Maße zu gewährleisten, wird die Halle im Inneren des Vierkanters aus den 50er Jahren errichtet. Das neue Volumen strukturiert den Innenbereich neu und lässt unter Berücksichtigung des Baumbestandes zwei Innenhöfe entstehen. In Teilbereichen nutzt die Halle die vorhandene technische Infrastruktur des Vierkanters. Das Wurzelwerk der erhaltenswerten Bäume wird geschützt, indem die anfallenden Lasten über eine Vierendeel-Konstruktion nahe der Seitenwände des Bestandes abgeleitet werden.

Projektinformationen

Projekttyp: Bauen im Bestand, Innenarchitektur
Standort: Fürstenfeldbruck bei München
Bauherr/in: Freistaat Bayern vertreten durch Staatliches Bauamt München 1
Projektstatus: Gebaut
Fertigstellung: 2018
Architektur: Hild und K Architekten
Andreas Hild, Dionys Ottl
Projektleitung: Henrik Thomä
Ina Fidorra
Carmen Wolf
Matthias Haber
Mitarbeit: Katarzyna Kielkucka
Madita Weinmann
Fotografie: Michael Heinrich