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Der Sockel – Schluss mit der Unterdrückung!

In der Fassade ist der Sockel ganz unten angesiedelt, aber rechtfertigt das etwa seine Missachtung? Hild und K sind vom Gegenteil überzeugt und rücken mit einer soeben im Berliner Gebrüder Mann Verlag erschienenen Publikation ein Bauteil in den Mittelpunkt, dessen Funktion und ästhetische Wirkung im Gegensatz stehen zu seiner oftmals nachrangigen Behandlung.

Der Sockel bestimmt ganz entscheidend die Wahrnehmung eines Gebäudes, die im Alltag meist aus der Fußgängerperspektive heraus stattfindet. Im Vergleich zu Mittelbau und Attika stellt er am direktesten den Bezug zu den Menschen her und prägt deren Erlebnis des städtischen Raums. Er hat damit wesentlichen Einfluss darauf, wie einladend, offen, distanzierend, Privatsphäre schaffend oder gar wehrhaft ein Bauwerk wirkt. Zugleich muss er eine Lösung anbieten für all die konstruktiven Herausforderungen, die sich an der Schnittstelle zum Erdreich ergeben.

Im Widerspruch zu dieser Relevanz ist spätestens seit der Moderne eine Vernachlässigung des Themas beobachtbar, die sich – mit allen Auswirkungen auf die architektonische Praxis – auch innerhalb einschlägiger Lehrbücher abzeichnet. Der Hild und K Büropartner Matthias Haber will mit seinem Buch die im frühen 20. Jahrhundert abgebrochene ästhetische Diskussion wiederbeleben. Er liefert Ansätze für einen bewussten gestalterischen Umgang mit der konstruktiven Notwendigkeit des Gebäudefundaments.

Dazu werden zahlreiche Praxisbeispiele herangezogen, deren Entstehungszeit vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Als Herausgeber geben Hild und K mit der Darstellung von zwölf eigenen Projekten zudem einen intensiven Einblick in ihre eigene Ästhetik des Sockels.

Dem zentralen Thema trägt auch die Aufmachung des Buches Rechnung. Im Einband definiert ein Materialwechsel von Leinen zu durchgefärbtem Papier eine Sockelzone. In diesem Bereich wurde die graphische Darstellung eines wellenförmigen Fassadenreliefs eingeprägt.

Das Buchdesign vollzieht so eine Bewegung von der dreidimensionalen Ebene der Architektur über die zweidimensionale der Zeichnung zurück in die dreidimensionale der Schmuckprägung. Mit dieser haptischen Lösung wird der Gegenstand schon vor dem Aufschlagen des rund einhundertfünfzig Seiten starken Bandes greifbar. Vielleicht lassen sich dadurch weitere Leserinnen und Leser verführen, ihn in die Hand zu nehmen. Der Sockel hat es verdient!

Hild und K (Hrsg.); Matthias Haber (Autor)
Der Sockel. Architektur – Wirkung – Wiederbelebung
Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2021

ISBN 978-3-7861-2862-5 (Print)
ISBN 978-3-7861-7509-4 (E-PDF)